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Produktionsnotizen / Gespräch mit dem Regisseur / Gespräch mit den SchauspielerInnen / Seminararbeit

Produktionsnotizen
ATASH ist der erste palästinensische Film, der die inneren Strukturen einer palästinensischen Familie analysiert, ohne den israelisch-palästinensischen Konflikt in den Focus zu nehmen. Die palästinensische Erzählung schafft den Film, der Konflikt ist in der Atmosphäre des Films stets präsent. Die persönliche Art des Regisseurs, sich mit dem Konflikt auseinander zu setzen liegt darin, keine Israelis zu zeigen.

Die Produktionskosten für den Film wurden von israelischen Förderanstalten übernommen, weil der  Regisseur Palästinenser mit israelischer Staatsangehörigkeit ist. Die israelische Filmindustrie wird durch private Stiftungen unterstützt, die manchmal auch die Arbeit palästinensischer Filmschaffender fördern. 20% der israelischen Bevölkerung sind Palästinenserinnen und Palästinenser. Westliche Stiftungen haben die Förderung des Films abgelehnt, da er keine Symbole des Konflikts wie Soldaten und Checkpoints präsentiert.

ATASH wurde aus Passion zum Kino produziert, mit einem Team, dass alles gegeben hat, diesen Film zu realisieren, ohne dass Nationalität oder Religionszugehörigkeit eine Rolle gespielt haben.
Außer Roba Blal, der weiblichen Hauptdarstellerin, sind alle Schauspielerinnen und Schauspieler Laien, die männliche Hauptrolle z.B. wird von dem Bauarbeiter Hussein Yassin Mahajne gespielt. Auf die Frage, wie er das Spielen vor der Kamera empfunden hat, sagt Mahajne: „Es war nicht schwer. Es ging uns leicht von der Hand. Weil wir nicht wissen, was Kino ist, konnte Tawfik mit uns machen, was immer er wollte.“

Der Regisseur hat mehr als ein Jahr in seiner Heimatstadt Um El-Fahim verbracht, um die Darstellerinnen und Darsteller zu finden. Um El-Fahim (Mutter der Kohle) ist die zweitgrößte palästinensische Stadt in Israel, sie war eine Stadt von Köhlern und kann heute als ArbeiterInnenghetto bezeichnet werden. Aufgrund der diskriminierenden Politik des israelischen Staates gegenüber seinen palästinensischen Bürgerinnen und Bürgern hat die Stadt keine Entwicklungsmöglichkeiten, ihre Strukturen sind ländlich. Es gibt keine kulturelle Infrastruktur und „kein einziges Kino am Ort. Wie ich dir sagte, die leben und sterben ohne einen einzigen Kinofilm gesehen zu haben“, so Abu Wael.

Die Location des Films, eine Dorf-Attrappe, war früher ein israelischer Truppenübungsplatz für Häuserkampf. Bis 1948 gehörte das Land, auf dem der Übungsplatz gebaut wurde, der Bevölkerung von Um El-Fahim, danach wurde es vom Staat Israel konfisziert. Nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Armee und der Bevölkerung von Um El-Fahim musste die Armee 1998 die Übungen einstellen. Heute ist der Ort verlassen.
Tawfik Abu Wael über ATASH (Durst): "Durst nach Freiheit, Befreiung, Liebe und Erotik. Durst nach Ästhetik, Klassik, Sophokles, Shakespeare und Dostojewski. Durst nach der kinematographischen Poesie von Bertolucci, Bergman & Tarkowski. Durst nach einem neuen Bewusstsein."

Eine neue Generation Kulturschaffender in Palästina
In den letzten Jahren ist eine Tendenz unter jungen palästinensischen Künstlerinnen und Künstlern zu beobachten, ihre Kunst in den Vordergrund zu stellen, nicht mehr den israelisch-palästinensischen Konflikt. In den letzten dreißig Jahren hatten palästinensische Kulturschaffende ihre Arbeiten in den Dienst der Befreiung Palästinas gestellt und als Publikum haben wir gelernt, politische Statements zu erwarten, wenn wir palästinensische Kunst konsumieren. Die sogenannte Neue Generation sind Menschen, die sich zuerst als Künstlerin oder Künstler definieren und erst dann als Palästinenserin oder Palästinenser, oder, wie einige es ausdrücken „zufällig bin ich auch Palästinenser“.
Die Neue Generation ist weder eine Organisation noch eine Bewegung, es handelt sich vielmehr um ein Phänomen, das zunächst von akademischer Seite als Neue Generation tituliert wurde, der Begriff hat mittlerweile Eingang in den Sprachgebrauch gefunden.
Die Arbeiten dieser Kulturschaffenden ist oftmals politisch, befassen sich aber selten mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt. Sich nicht mit der Besatzung auseinander zu setzen, sehen sie als einen Akt der Befreiung in dem Sinne, dass sie den Besatzern weder erlauben, ihre Gedanken zu besetzen noch, die Themen ihrer künstlerischen Produktion zu bestimmen. Sie selbst entscheiden frei, welche Geschichten sie in ihren Werken - sei es Literatur, Film, Musik, Theater oder bildende Kunst – erzählen.
Tawfik Abu Wael sieht sich als Filmemacher der neuen Generation.
 

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Gespräch mit Tawfik Abu Wael, Paris 3.7.04
Irit Neidhardt (mec film): Das auffälligste an ATASH ist die Kamera. Das Publikum ist von der Schönheit der Bilder benommen. Gleichzeitig handelt die Geschichte von Gewalt in Familie und Gesellschaft. Warum so viel Schönheit? Die Kamera in ATASH produziert aber nicht nur diese atemberaubenden Bilder, die spielt auch eine Rolle.


Tawfik Abu Wael: Für mich ist die Kamera in diesem Film ein weiterer Charakter, zusätzlich zu den fünf Familienmitgliedern. Sie ist im Dialog mit dir, überrascht Dich die ganze Zeit. Das schafft ein Gefühl von Geheimnis, ein Gefühl beobachtet zu werden und von einer Blockade, was mir wichtig war. Das Gefühl einer Blockade in einem offenen Raum, umgeben von Hügelketten. Darum habe ich mich für Cinemascope entschieden, es ist ein Format von enormer Weite und so schaffe ich den Kontrast zur Geschichte. Du hast nach Schönheit und Gewalt gefragt: Das ist der Kontrast. Der Kontrast im Bild, in der Bewegung der Kamera, die Reibungen und Verbindungen. Es gibt einen Kontrast zwischen der Sprache der Kamera und den Charakteren, z.B. in der Szene, in der Um Shukri zu Abu Shukri in das Wohnzimmer kommt, hier entfaltet sich Abu Shukris Schwäche. Abu Shukri hat alle Attribute einer starken Person und die Kamera deckt die Schwäche auf. Das ist was ich sehr mag. Mittels der Kamera schafft man einen Film, für mich ist sie das wichtigste Element. Für mich ist jede Einstellung etwas Neues. Es ist wie ... vielleicht weil ich aus der arabischen Kultur komme und klassische Poesie sehr liebe, die einen Anfang hat und ein Ende, das unterschiedet sich sehr von moderner Poesie. Es geht Vers für Vers, jede Einstellung existiert für sich selbst, ist eine Geschichte. ATASH ist ein Film, der das Publikum herausfordert, er füttert es nicht, es ist ein Film für Leute, die gerne herausgefordert werden, im Dialog stehen, das ist, was ich mag.

Es ist sehr auffällig, dass wir - nachdem die Kamera sich beruhigt hat, ich quasi meinen Platz in der Familie, im Film gefunden habe – ständig Mauern sehen. Aber jede Mauer hat irgend eine Öffnung, ich habe nicht eine unpassierbare Mauer gesehen.

Meinst Du, dass da immer eine Lücke ist, eine Öffnung in der Blockade?

Ja, es gibt viele Bilder, die schwarz sind und dann gibt es eine Lücke, durch die man nach draußen sehen kann oder umgekehrt.

Das ist der Kontrast, von dem ich spreche, und das ist auch was mich an dem Drehort fasziniert hat. Dort zu drehen war eine ästhetische Entscheidung. Ich wollte das Gefühl von Blockade und die Möglichkeit von Freiheit kreieren, es gibt immer eine Öffnung. Das ist die Sache mit dem Kontrast in den Bildern, sie sind sehr ästhetisch, aber diese ästhetischen Mauern sind von Kugeln durchlöchert, sie sind voller Gewalt. Was also diese Ästhetik geschaffen hat, ist Gewalt. Die durchsiebten Mauern stehen für die Gewalt, die die ganze Zeit stattfindet ... das Bild spiegelt den Charakter, jede Mauer steht für etwas: Liebe, Wut ... Wie Du gesagt hast, es gibt immer einen Riegel, eine Sperre aber es gibt auch etwas Horizont und Weite. Das ist auch etwas Rätselhaftes und Unerwartetes. Und eine letzte Sache: die ganze Zeit diese Einsamkeit, das Gefühl eines abgeschlossenen Ortes, weit weg vom Dorf schafft auch eine Form von Freiheitsgefühl, von „da gibt es noch etwas anderes“.

Wie auf dem Meer, wenn man sich frei fühlt, die Situation aber gleichzeitig sehr bedrohlich ist.

Ja, ganz genau.

Lass uns etwas über die Darstellerinnen und Darsteller sprechen. Alle außer Roba Blal, die die Gamila spielt, sind Laien. Roba Blal kommt vom Theater, es ist ihr erster Film. Warum hast Du Dich entschieden mit Laien zu arbeiten?

Die Entscheidung war die ganze Zeit da, seit ich an dem Drehbuch gearbeitet habe, wusste ich, dass ich mit Laien arbeiten will. Für mich ist das interessanter, weil ich glaube, dass alle schauspielern können – weil Kino oder Kunst so manipulativ sind. Es gibt so viel Manipulation, dass Du sehr expressive Darstellerinnen und Darsteller brauchst. Danach suche ich. Wenn sie das haben, gucke ich nach einer zweiten Sache, dem Schauspiel, wobei es mir nicht so sehr um Schauspielen, sondern mehr um Verhalten geht; dass sie aus ihrem Leben, ihrer persönlichen Erfahrung schöpfen, das ist was mich interessiert. Neue Charaktere zu sehen finde ich auch interessanter als immer wieder dieselben Schauspieler in noch einem Film und in noch einem. Die Laiendarsteller haben etwas Mysteriöses, Neues, Originäres, Erstmaliges – das finde ich sehr attraktiv. Das Schwierigste ist aber, sie zu finden, das heißt sich lange umzusehen. So wie ich sie in Um El-Fahim gefunden habe, dort leben 40.000 Menschen und in den Dörfern drum herum noch mal 60.000. Unter 100.000 Leuten deine Schauspielerinnen und Schauspieler zu finden ist wie nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen.

Und wie hast Du sie gefunden?


Das ist es. Bevor ich mit den Dreharbeiten angefangen habe, war ich 18 Monate in Um El-Fahim. Mein Freund Baher, der Aufnahmeleiter, und ich sind einfach durch die Straßen von Um El-Fahim und den umliegenden Dörfern gezogen, mit oder ohne Kamera, und haben Leuten gesucht und gefunden. Wir waren in Cafés, Jobbörsen und auf der Straße. Es war sehr schwer, weil es ein Ort ist der sehr ... was Kino angeht ist es ein jungfräulicher Ort, für die Leute ist Film etwas Seltsames und Fremdes, sie kennen Filme nur aus dem Fernsehen. Es gibt kein einziges Kino am Ort. Wie ich dir sagte, die leben und sterben ohne einen einzigen Kinofilm gesehen zu haben. Darum ist das nicht sehr anerkannt Leute so zu casten, sie waren nicht gerade enthusiastisch, vor allem die Frauen. Darum habe ich mich dann auch für Roba Blal entschieden, es war so schwer eine Darstellerin zu finden, eine Frau einzuladen, die keine Schauspielerin ist, in einer geschlossenen arabischen Gesellschaft im ländlichen Gebiet. Letztendlich ist Roba jemand, die meine Erwartungen weit übertroffen hat. Sie hat, auch als Schauspielerin, sehr viel von ihrer Persönlichkeit eingebracht, was mich sehr überrascht hat. Ich wusste, dass sie eine gute Schauspielerin ist, sehr expressiv und präsent. Sie spricht den Dialekt der Gegend nicht, also hat sie ihn gelernt, sie hat ihre Rolle gelernt und gelebt und gleichzeitig ihr eigenes Leben fortgeführt.

Wie in DIARY OF A MALE WHORE befasst Du Dich in ATASH mit Themen von Gewalt in der Familie und in der Gesellschaft. Um einen Film über Gewalt zu drehen, ein Familiengeheimnis, musst Du das Licht und die Kamera auf die Gewalt richten, also die Idee des Geheimnisses umkehren. Du hast das mit Laien gemacht, die nicht über die Techniken verfügen, wieder aus ihrer Rolle rauszugehen, Du hast das neben deinem Wohnort gemacht und deine Schwester hat Euch jeden Tag das Essen gebracht. Damit ist das Geheimnis plötzlich etwas sehr Öffentliches geworden. Wie hat das funktioniert, was ist in der Situation passiert?


Es hat mir sehr geholfen, ein authentisches Gefühl zu schaffen, von … Wenn Du drehst hast Du das Gefühl, das die Geschichte wirklich passiert. Gleichzeit ist der Film selbst ein Geheimnis, weil ich etwas tue, was für viele Leute geheimnisvoll ist: „Was macht der da“?, „Was ist da los“?, „Was wird dabei rauskommen“? Das hilft auch den Darstellerinnen und Darstellern, weil sie in einer anderen Position sind, so lange sie am Film arbeiten, sie machen etwas anderes, sie unterscheiden sich von den Leuten im Dorf. Weißt Du, für sie wird das authentisch, weil die Leute im Dorf sich ihnen gegenüber anders verhalten. Ihre Gefühle im Film ähneln dem, was wirklich passiert. Und etwas anderes hat mir sehr geholfen: Selbst die Schauspielerinnen und Schauspieler wussten nicht, was in dem Film passieren wird. Ich habe mit ihnen an zwei Dritteln des Drehbuches gearbeitet und das letzte Drittel war auch für sie ein Mysterium. Das hat das Gefühl von echtem Leben vertieft, die Rolle zu spielen und das Geheimnis zu spüren. Ich wollte diese Spannung die ganze Zeit aufrechterhalten. All das zusammen kreiert die Intimität im Film.

Wie war es akzeptiert, dass Du am Geheimnis gekratzt und das Tabu von Gewalt gebrochen hast? Ich stelle mir eine enorme Anspannung vor, für Dich, für die Darstellerinnen und Darsteller und auch für die Dorfgemeinschaft.


Richtig. Es stimmt, dass es eine enorme Spannung gab, aber weißt Du, es ist mir gelungen vieles davon zu brechen, weil ich eine Leidenschaft für dieses Mysterium schaffen konnte. Was die Gewalt betrifft: Sie ist ein Teil des Lebens. Ich suche ständig nach einer alternativen Art, Gewalt zu zeigen. Nicht blind draufzugucken und sich zu wundern, sondern sie von verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Im Film, wenn Abu Shukri gegen Ende mit dem Hammer in der Hand die Wand entlang geht, wirkt er brutal. Als seine Tochter Halima ihn sieht, hört sie auf, Musik zu spielen. Diese Art der Strafe hat auch etwas Brutales und wirft ein anderes Licht auf die Figur Abu Shukri. Das sind die Fragen, die mich interessieren, wenn ich Gewalt darstelle. Auf diese Art glaube ich, dass ich das Tabu bloßlegen kann, dieses bestimmte Bewusstsein, sogar die Schwäche. Die Schwäche der Charaktere, der patriarchalen Gesellschaft, das Verhältnis zwischen Männern und Frauen, das ein Verhältnis zwischen Unterdrückern und Unterdrückten ist, in dem Gamila, die Tochter, das Opfer ist, aber letztendlich ist auch der Vater ein Opfer. Denn er ist letztendlich Opfer eines bestimmten Bewusstseins der Gesellschaft, aus der er kommt, und Gamila ist sein Opfer sowie das Opfer der Gesellschaft.
Ich befasse mich auch nicht mit der Gewalt selbst, es ist mehr dass ich die ganze Zeit an Denkweisen und Vorstellungen kratze, letzten Endes sieht man keine Gewalt in dem Film. Was mich interessiert ist die Metaphysik der Gewalt. Daher ist der Film in meinen Augen ... seine Stärke ist, dass Du nicht nur einfach Gewalt bekommst, Du analysierst sie. Du tanzt  mit ihr, sie wird etwas, mit dem Du selbst ringst.

Du hast über die Schwäche des Vaters gesprochen und Strukturen von Gewalt gegen ihn. Er wird oft das der Böse im Film wahrgenommen. Kannst du etwas mehr über die Figur des Vaters sagen?

Er ist eine moralische Figur, die in eine tragische Situation geraten ist: da seine Tochter Gamila „ihre Ehre oder Unschuld verloren“ hat, steht er vor der Wahl sie zu töten oder unter ständiger Demütigung der Leute weiterzuleben. Er entscheidet sich für einen dritten Weg, mit der ganzen Familie ins „Nirgendwo“ außerhalb des Dorfes zu gehen, außerhalb des Lebens, außerhalb von Geschichte. Die ganze Familie ist durch die „Schande“ Gamilas bestraft. Weil er seine Tochter liebt, wählt er diesen dritten Weg. Der Film beginnt mit der Entscheidung des Vaters eine Wasserleitung zu bauen, die „normales“ Wasser in den isolierten Ort, in dem sie leben, zu bringen. Die ganze Familie versteht die Bedeutung. Sollen sie für immer bleiben? Instinktiv reagieren sie, um ihre Freiheit zu erlangen, raus aus diesem Gefängnis. Der Vater weiß, dass er sie nicht ihrer grundlegenden Freiheiten berauben kann. Die Familie kämpft gegen ihn und er weiß, das er am Ende verlieren wird. Das ist, was in dem Film passiert.

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Gespräch mit Roba Blal (Gamila) and Hussein Yassin Mahajne (Abu Shukri) Paris 3.7.04
Irit Neidhardt (mec film): Könnt Ihr ein bisschen was über Euch selbst erzählen? Du, Roba bist Schauspielerin und Du, Abu Mohammed bist Bauarbeiter. Könnt Ihr was zu Eurer Arbeit sagen und wie Ihr zu diesem Film gekommen seid? Wie wird ein Bauarbeiter Hauptdarsteller in einem Kinofilm?

Hussein Yassin Mahajne: Guck, ich bin Bauarbeiter. Ich habe nichts mit Kino zu tun. Eines Tages kam Baher (der Aufnahmeleiter von ATASH), um meinen Sohn zu besuchen- sie sind befreundet. Als er mich sah, sagte er, ich sei der Charakter, nach dem sie suchten. Er sagte, sie würden mich brauchen und fragte, ob ich in dem Film mitspielen will. Am Anfang habe ich mich geweigert. Ich weiß nicht… Ich wusste, dass das was Neues für mich ist, was, was ich nicht verstehe. Es dauerte, bis er mich überzeugt hat. Tawfik kam und ich musste mich mit meinem Boss bei der Arbeit beraten. Ich musste mir da frei nehmen. Bis ich das OK vom meinem Boss bekommen und der Mitarbeit beim Film zugestimmt habe ... das ist mir schwergefallen. Und ich habe nicht gedacht, dass ich es schaffen würde, aber Dank Tawfik war es letztendlich ganz leicht.

Und wie bist Du zu diesem Film gekommen?

Roba Blal: Hier läuft das in der Regel über Agenturen, oder Regisseure sprechen miteinander und dann nehmen die Dinge ihren Lauf. Eine befreundete Kollegin ist auch mit Tawfik befreundet und sie hat mich empfohlen. Sie sind zu einem Treffen gekommen, haben Probeaufnahmen gemacht, wir haben geredet und sie haben andere Schauspielerinnen getroffen. Dann haben sie mit einem Regisseur gesprochen, der mit mir gearbeitet und mich empfohlen hat, das kam also aus verschiedenen Richtungen. So sind die zu mir gekommen. Ich bin Theaterschauspielerin. Ich arbeite seit acht Jahren und habe an sechs Stücken mitgewirkt, dies ist mein erster abendfüllender Film. Ich habe in Diplomfilmen von Studierenden gespielt. Aber dies ist mein erster Film. Ich habe bei Theaterstücken mitgewirkt, mit denen ich wirklich Glück hatte, die ganzen Möglichkeiten waren wundervoll. Nach meinem Studium habe ich bei Yoram Levinstein Schauspiel gelernt. Ein Jahr später habe ich beim Teatron haKotzim in Jerusalem angefangen und bei “The Immigrant” mitgespielt, mit dem wir auch am Theaterfestival Karthago in Tunesien teilgenommen haben. Es ging weiter, wir haben ein dreistündiges Stück gemacht, das das größte Theaterfestival in Palästina eröffnet hat. Dann waren wir 2000 mit dem Stück beim Theaterfestival in Avignon. Als ich nach Hause zurück kam, wollte ich weiter studieren, aber das hat nicht geklappt – Geld und so. Vor zwei Jahren  habe ich in “HaMesimah” mitgespielt, auf dem Akko Festival. Dann haben wir letztes Jahr den Film gemacht und jetzt bereite ich mich auf ein Solostück für das Akko Festival vor, die Premiere ist direkt, wenn ich von Paris zurückkomme, in ein paar Tagen also. Es ist ein wundervolles Solostück.

Ich habe gehört, dass das Script von ATASH während der Dreharbeiten häufig geändert wurde. Ich glaube, Ihr habt Euch auch an den Änderungen beteiligt. Wie viel Einfluss hattet Ihr auf das Drehbuch und wie weit konntet Ihr die Charaktere, die Ihr spielt, mit erarbeiten? Das ist interessant, weil Du, Abu Mohammed, gar keine Schauspielerfahrung hast und Du, Roba, wenig Erfahrung vor der Kamera....

R.B.: Ich habe keine Erfahrung.

… Wie habt Ihr die Charaktere entwickelt und gleichzeitig Schauspielen gelernt. Könnt Ihr darüber was erzählen?

H.Y.M.: Es war nicht schwer. Es ging uns leicht von der Hand. Weil wir nicht wissen, was Kino ist, konnte Tawfik mit uns machen, was immer er wollte. Es war uns egal. Er hat unsere Charaktere gebaut. Wir haben gemacht, was er uns gesagt hat.

Und Du hast deinen Charakter nicht mit ausgebaut? Hast Du nicht gesagt, Du hättest das lieber so oder so?

H.Y.M.: Nein.

R.B.: Für mich ist es die Art, wie Tawfik arbeitet. Er arbeitet fantastisch mit den SchauspielerInnen. Um so einen Film machen zu können, müssen wir uns erst mal alle wohl fühlen. Er hat uns dieses Gefühl gegeben. Alle haben sich wie der Gott des Films gefühlt. Wir konnten alles machen, womit wir uns wohl gefühlt haben. Er gab uns das Gefühl, die wichtigsten Menschen auf der Welt zu sein. 

H.Y.M.: Er hat uns ein sehr besonderes Gefühl gegeben.

R.B.: Das ist die eine Facette der Arbeit, es gibt aber auch andere. Wir haben das Drehbuch Wort für Wort analysiert: Warum wird das gesagt, was steht dahinter … Und um ehrlich zu sein, bis vier Tage vor Drehende kannten selbst wir den Schluss des Filmes nicht. Alle kannten ihn, die Schneiderin, die Visagistin, alle, außer uns, den Schauspielerinnen und Schauspielern. Das zeigt dir auch, wie er mit uns gearbeitet hat. Er gab uns immer alle Informationen, die wir brauchten, und wir gaben alles, was wir konnten, um das zu erreichen. Daran, wie der Film jetzt aussieht, kannst Du sehen, wie er uns hat mitgestalten lassen: Durch die Analyse der einzelnen Sätze versetzt Du Dich sehr in den Charakter und kannst Dich fühlen, als seiest Du wirklich Gamila. Du kannst dir vorstellen, dass wenn dein Vater Dich zum Beispiel wegen des Kleides schlägt…, sofort bei der Probe habe ich mein T-Shirt ausgezogen. Ich habe mir  gesagt: „ah, der schlägt mich, tach!“ So.

Stand das nicht im Drehbuch?

R.B.: Nein, bis dahin nicht. Ich dachte, dass wenn er mich schlägt, weil er mich zwingen will, beschäme ich ihn. So war das. Und in meinen Augen ist das sehr gut. So hat sich der Film entwickelt.

H.Y.M.: Es gibt viele Dinge, die in dem jeweiligen Moment entstanden sind. Das war sehr gut. 

Das heißt, Ihr hattet den Text, aber das Schauspiel ist im Moment entstanden?

H.Y.M.: Genau.

Also habt Ihr eure Figuren sehr stakt mit entwickelt.

H.Y.M.: Ja. Weißt Du was, wir haben in den Charakteren, die wir darstellen, gelebt.

R.B.: Weißt Du, es gibt eine Harmonie zwischen dem, was Du denkst und dem, was Du tust. Ich habe immer davon geträumt, eine tragende Rolle in einem Film zu spielen. Ich sage immer, dass das in meinen Träumen wirklich am Ende stand, oder noch dahinter. Da war noch vieles, was ich vorher machen wollte. Plötzlich kam die Filmrolle. Da war eine Harmonie in der Denkweise zwischen Tawfik und mir und den anderen Schauspielern. Das Gefühl Schönheit zwischen all den… nicht schönen Dingen zu sehen. Als Schauspielerin, die ihre Figur ausformen will, gibt es eine Parallele, weil ich die ganze Zeit über die Schönheit in dieser hässlichen Person nachgedacht habe. Das war eine Erfahrung.

H.Y.M.: Weißt Du, während der Dreharbeiten haben alle in den Monitor geguckt, um zu sehen, was sie gemacht haben. Ich habe mir das nie angeguckt. Ich sagte mir “Ich will nicht gucken, ich will’s nicht sehen. Nichts. Ich gucke am Ende”. Darum war ich erfolgreich in dem, was ich gemacht habe. Warum? Hätte ich einmal geguckt, hätte ich vielleicht gesagt: “Oh, was hab ich da gemacht?!” Das ist nicht gut. Vielleicht ist es gut, ich weiß nicht, aber das steht auf einem anderen Blatt.

R.B.: Es hat Für und Wider. Ich komme vom Theater, wo Du immer ein drittes Auge hast, wo Du Dich selbst von außen siehst. Wie Du spielst, wie Du Dich bewegst, das ganze mis en scene. So ist das im Theater. Du kannst dem dritten Auge nicht entfliehen, es beobachtet Dich die ganze Zeit. Im Film kannst Du Dich nicht gleichzeitig auf deine Rolle, das Licht, die Kamera und das dritte Auge konzentrieren. So wurde der Monitor zum dritten Auge. Ich muss gucken. Das ist, wie ich mich selbst die ganze Zeit beurteile.

Was die Charaktere angeht: Du hast gerade die Szene erwähnt, in der Du Dich ausziehst. Nach der Szene bin ich schon oft gefragt worden. Warum macht die das? Niemand versteht das. Ich habe ähnlich gefühlt wie Du, Du stellst ihn bloß. Er fordert was, also…

H.Y.M.: … schäm Dich! Raus hier! Das war gemeint.

Zumindest für europäisches Publikum ist das eine zentrale Szene. Es zeigt, oder man denkt an eine sehr gewalttätige Beziehung.

H.Y.M.: Ja, ich bin das auch schon gefragt worden.

R.B.: Es geht nicht nur um “schäm Dich”. Für mich als die Schauspielerin, die das gemacht hat: Ich habe in dem Moment gedacht, wenn der mich zwingen will, das Kleid was er gekauft hat anzuziehen, ein Kleid genau wie das, das ich vor 11 Jahren hatte, dann ist das wie eine Vergewaltigung. Wie eine Vergewaltigung. Das heißt, dass er mich erpresst, nein! … Als wäre ich nicht da. Als wäre ich Luft. Da musste eine Grenze gezogen werden. Bis hierher und nicht weiter. Wenn Du Dich so verhältst, vergewaltigst Du mich. Dann… So ist das entstanden – für mich. Aber es gibt immer die Möglichkeit, dass das Publikum das anders sieht oder versteht.

Nein, es vermittelt Vergewaltigung. In den Fragen, die ich gehört habe, wirst Du als Opfer gesehen. Deine Macht wird nicht wahrgenommen. Dass Du, mit all der Energie, die man sehen und sogar hören kann ...

Y.H.M.: Sie hat das Hemd beinah zerrissen ...

… Du ziehst Dich aus. Das ist sicher ein Schock, nicht nur für den Vater, die Figur, sonder ich kann mir vorstellen, dass es für alle schockierend war.

R.B.: Ja. Aber … ich denke die ganze Zeit darüber nach … ziehe vor, nicht drüber zu sprechen. Aber meiner Meinung nach ist die Frau stärker als der Mann. Und sie wird immer als das Opfer gesehen.  Aber ich meine, wenn sie diese Stärke nicht hätte, könnte sie nicht einer ganzen Familie so etwas antun. Sie könnte nicht das Leben einer ganzen Familie zerstören. Das ist Stärke. Wenn eine Frau eine Familie zwingen kann solch ein Leben zu führen, mitten im Nirgendwo. Egal, wie die Situation war und was passiert ist … sie ist das Opfer und so. Unsere Art das zu sehen, als Araber, ist, dass wenn einer Frau so etwas passiert, ist es Zerstörung der gesamten Familie. Sieh dir den Einfluss einer Frau an, die nichts macht. Sie verlässt noch nicht einmal das Haus und kann das einer Familie zufügen.
Y.H.M.: Was ein Mann macht, interessiert niemanden.
R.B.: Ja, er hat keinen Einfluss auf die Familie. Aber sie … in meinen Augen ... sie ist kein Opfer. Sie ist stark. Die Frau ist die stärkste. Meiner Ansicht nach sind beide Opfer. Er ist ein Opfer, weil er wegen mir ...

H.Y.M.: Ja, er ist Dein Opfer …

R.B.: Es ist das Gegenteil. 

H.Y.M.: Ich und die Frau und all die Kinder sind Deine Opfer, die ganze Familie.

Ja, aber die Spannung, die ich in der Geschichte sehe, ist, dass die Familie Opfer von Gamila ist, aber Gamila ist mehr ein Opfer der Gesellschaft.

H.Y.M.: Richtig.

In gewisser Weise sind sie alle Opfer einer patriarchalen Gesellschaft, die nicht bereit ist, sich zu ändern.

R.B. und Y.H.M.: Ja.

Und da ist der Gesandte, der Esel, der das sehr deutlich sagt.

H.Y.M.: Ja, er kommt aus dem Dorf zurück und was auf ihm geschrieben steht ist sehr klar. Das ist die Botschaft. Die Botschaft aus dem Dorf.

Die Geschichte der Familie ist, dass sie ein Geheimnis hat. Um den Film zu machen, musstet Ihr das Geheimnis ins Licht holen. Ihr habt das Geheimnis gelüftet, ein soziales Tabu gebrochen. Mich würde interessieren, wie es für Euch war, das zu spielen. Ihr seid ja fast alle keine ausgebildeten Schauspielerinnen und Schauspieler und verfügt nicht über die Techniken des Spielens, des Umschaltens zwischen Figur und realem Leben. All das passierte …

H.Y.M.: Ich mach’s kurz. Wir waren wie Teig in den Händen von Tawfik. Weil wir nichts von Kino verstehen. Er konnte mit uns machen was immer er wollte, und wir haben es akzeptiert. Wir haben das alles so gemacht, wie er es wollte.

Trotzdem, Ihr habt Euch mit einem sozialen Tabu beschäftigt, neben eurem Wohnort und der Drehort war öffentlich zugänglich. Leute aus dem Dorf konnten kommen und zugucken. Tawfiks Schwester hat Euch das Essen gebracht. Und Ihr sprecht über Gewalt – und auch Liebe – in der Familie, was ein Tabuthema ist. Etwas was man verstecken will, aber Ihr habt es auf dem Tablett serviert, für alle sichtbar. Es ist interessant zu erfahren, wie das für Euch als SchauspielerInnen war…

R.B.: Ich will dir was sagen: neben der Art, wie Tawfik mit uns gearbeitet hat, tut die Liebe ihr Übriges. Und die Liebe unter uns, nicht nur den SchauspielerInnen, dem ganzen Team ... Alle haben mit Liebe gearbeitet. Alle wollten, dass es der beste Film wird.

Y.H.M.: Es war aus tiefstem Herzen.

R.B.: Und die Wärme, die zwischen uns fünf SchauspielerInnen war ...

H.Y.M: … wie in einer Familie …

R.B.: Ja, und das ist bis heute so. Ich nenne ihn immer noch Papa.

H.Y.M.: Ich habe verheiratete Töchter, die weit weg wohnen. Ich rufe sie nicht so oft an wie Roba. Und
sie ruft mich auch an.

R.B.: Es ist genau so. Mein Vater kam mal nach Hause und fragte mich: „Weißt Du, wer Dich grüßen lässt? Dein Vater.“

H.Y.M.: Ich war vor einiger Zeit in Nazareth und habe Stoff gekauft. Sie haben mich gefragt, warum ich einen Bart trage. Ich habe gesagt, es sei für einen Film, in dem ich spiele und dass die Frau, die meine Tochter spielt, aus Nazareth kommt. Er fragte, ob das Roba sei. Er sagte, er sei Ihr Vater. Ich habe ihm gesagt, er soll Ihr Grüße von Ihrem Vater ausrichten. Wir lebten wie eine Familie.

Man kann das im Film sehen, obwohl es ein Film über Gewalt ist, gibt es so viel Wärme und Liebe. In den kleinen Dingen spürt man es die ganze Zeit.

H.Y.M.: Weißt Du was, während der Dreharbeiten, hätte jemand sie von der Seite angequatscht, ich hätte auf ihn geschossen. Jeden. Weil wir wie eine Familie gelebt haben und ich nicht wollte, dass jemand einem von uns Schmerz zufügt. Ich wollte, dass wir in der Lage sind unsere Aufgabe zu erfüllen, wie es sich gehört. Weißt Du, eines Tages kam ein Typ aus dem Dorf – wie Du schon gesagt hast, die kamen, um zu gucken – er hat was zu ihr gesagt. Ich hätte ihn beinahe angespuckt.

Wie hat die Geschichte des Films Euch beeinflusst? War sie genau so wichtig, wie die Erfahrung, gemeinsam an dem Film zu arbeiten?

R.B.: Nicht weniger wichtig. Sie war sehr wichtig. Für mich als Schauspielerin war es auch eine neue Art von Geschichte, eine neue Figur. Und wenn Du das, was Du tust, gerne machst, kannst Du nicht zwischen der Rolle und dir selbst unterscheiden.

H.Y.M.: In meinem Privatleben wie in meinem Job ist es das selbe. Wenn ich die Sache nicht ordentlich mache, mache ich sie gar nicht. Kurzum, das ist, was ich im Leben habe.

R.B.: In der Geschichte, auch in ihrer Beziehung zu ihrer Schwester, die Liebe, die Liebe zu ihrem Bruder, ihrer Mutter … das steckt auch in der Geschichte, da machst Du nichts. Weil wir auch in einem anderen Film hätten spielen können, in dem die ganzen guten Beziehungen zwischen der Tochter und dem Vater, z.B., nicht vorgekommen wären. Aber es ist die Geschichte selbst, die uns so viel Zeit miteinander hat verbringen und dieses Gefühl von Liebe in dem Film ausprobieren lassen. Wir haben es also ausprobiert, Du brauchst die Erfahrung auch im Leben. Die Geschichte hat uns also beeinflusst, wir hätten dem nicht entkommen können.

H.Y.M.: Du wirst es nicht glauben, aber ich habe meine Rolle zu Hause geübt, mit meinen Kindern.

Ich glaube es dir sofort. 

H.Y.M.: Alle haben über mich gelacht. Lass sie nur lachen. Ich muss meine Arbeit machen, wie es
sich gehört.

Und was haben sie gesagt, als sie den Film gesehen haben?

Y.H.M.: Sie haben ihn noch nicht gesehen. 

R.B.: Meine Eltern haben ihn gesehen und mein Bruder.

Y.H.M.: Nur meine Frau hat ihn gesehen. Sie ist vom Glauben abgefallen. Sie konnte nicht fassen, was wir vollbracht haben. 

Was haben Deine Eltern gesagt?

R.B.: Nach der Vorführung habe ich das Kino mit meinen Eltern verlassen. Alle haben mich gefragt, was sie zu der Szene gesagt haben, als ich mein T-Shirt ausziehe. So ist das bei uns. Ich war auch gespannt, sie haben mir aber nur auf die Schulter geklopft und gesagt „gut gemacht“, „Du bist großartig“, „mach weiter so“ etc. Nicht weil ich ihre Tochter bin. Ich weiß, dass mein Vater an mich als Schauspielerin glaubt.

Bist Du inzwischen zum Theater zurückgegangen?

R.B.: Während der gesamten acht Jahre, die ich jetzt beim Theater arbeite, habe ich gehört, dass das Kino das schauspielerische Handwerk kaputt macht. Nicht nur deshalb, aber ich will die beiden gleich gewichten. Kino (ich weiß nicht, ob es einfacher ist)  zieht Leute an und Theater auch. Im Theater arbeitest Du die ganze Zeit mit deiner Körpersprache, mit Symbolismus, Du setzt Deine Stimme anders ein. Im Film wird jedes kleine Ding was Du machst von der Kamera eingefangen. Das ist anders. Ich würde nicht sagen, dass das Kino die schauspielerischen Fähigkeiten kaputt macht, es sind zwei verschiedene Dinge. Da muss ein Gleichgewicht hergestellt werden. Ich will nicht verlieren, was ich in den letzten acht Jahren gelernt und gemacht habe. Ich bin Schauspielerin. Ich will, dass Leute ins Kino gehen und mich dort sehen, und wenn sie ins Theater gehen wollen, können sie mich dort auch sehen. Und nicht jede Chance ist eine Chance. In diesem Fall war das Drehbuch großartig, eine sehr starke Geschichte.

Und willst Du weiter schauspielern oder bist Du zurück zu deiner Arbeit auf dem Bau gegangen?

H.Y.M.: Sieh, am letzten Drehtag sind wir abends um neun Uhr fertig geworden und am nächsten Morgen um sechs Uhr war ich auf dem Bau. Ich habe kein Problem damit. Meine Arbeit ist meine Arbeit. Ich arbeite weiter in meinem Beruf. Wenn es ein gutes Angebot gäbe, ein Film, in dem ich spielen könnte, kein Problem.

R.B.: Es ist jetzt schwieriger geworden. Man muss weiterkommen. Unser Film war wirklich ... Ich weiß nicht, was sein wird, aber es werden nicht viele Chancen wie diese kommen.

H.Y.M.: Der Film hat mich nicht verändert. Ich bin immer noch derselbe Mensch.

Aber es hätte sein können, dass Du Dich in die Idee zu schauspielern verliebt hast.

H.Y.M.: Das habe ich auch, wirklich. Es ist eine soziale Arbeit, wo wir uns alle achten. Das ist nicht wie meine Arbeit. Es ist etwas völlig anderes. Das sind Leute, mit denen man sich gegenseitig ergänzt. Jede und jeder ist miteinander verbunden. Diese Gruppe von 40-50 Leuten, die an dem Film gearbeitet haben ... wir waren wie eine Familie. Es ist etwas ganz anderes. Es ist großartig.

Das hört sich sehr gut an. Da können wir hoffen, dass Tawfik ein anderes starkes Drehbuch schreibt ...

R.B.: … das wird er …

H.Y.M.: Ich wünsche Tawfik viel Erfolg in seinem Leben …

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Seminararbeit
Maldunaite-Christ: Laima: Die Authentizität der Figuren im Film ATASH von Tawfik Abu Wael als Spiegel der palästinensischen Gesellschaft, 2007, 42 Seiten, Filmwissenschaft, broschiertes Buch, e-book

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